ÜberUnterWasser

-9- Bali: Die Fahrt nach Pemuteran

Today’s featured fellow ist Gede, mein Fahrer. Gede geschwätzig zu nennen ist in etwa so, wie zu behaupten, Bali hätte 1000 Tempel – eine phänomenale Untertreibung. Noch dazu schwätzt Gede in einer Lautstärke, dass mir bereits nach 2 ½ Minuten die Ohren klingeln, mit voraussichtlich weiteren 177 ½ vor mir. Aber Gede ist ein liebenswürdiger Kerl und sehr interessiert. In den ersten 1 ½ Stunden erzählt er mir seine Lebensgeschichte, minutiös, und erwartet dann dasselbe von mir. Allerdings hat er so viele Geschichtchen auf Lager, dass er ohnehin nach 2-3 Sätzen meinerseits wieder das Wort ergreift. Übrigens, sollte Euch jemand fragen, ich bin verlobt, heirate am 7. September und genieße auf meiner jetzigen Reise noch ein letztes Mal meine Freiheit. In meinem Alter unverheiratet zu sein, gerade als Frau, ist den Balinesen absolut unverständlich, also spare ich mir lieber die wiederkehrende Diskussion. Ebenfalls unverständlich ist ihnen mein derzeitiger Beruf, weswegen ich lieber bei „Biologin“ bleibe. Auch dazu hat Gede selbstverständlich eine Geschichte, gerade, als er von meinen Viren hört. Es geht um das beste, das einzige Mittel gegen AIDS: frisch gepresster Gecko-Saft. Gede wundert sich, warum in der westlichen Welt noch niemand darauf gekommen ist und ist fest davon überzeugt, mir durch seinen schlauen Tipp zum Durchbruch verholfen zu haben. Das freut ihn riesig. Allerdings, so sagt er, brauche man Geckos eines bestimmten Alters, sie müssen sich in einer ganz speziellen Wachstumsphase befinden, sonst hilft’s nix. Außerdem muss man den Saft regelmäßig trinken, sonst kommen die „Bakterien“ wieder, das muss ich mir unbedingt merken!

 

Gede hat noch mehr schlaue Tipps. So beschliesst er um halb ein Uhr mittags, dass es für mich an der Zeit ist, was zu essen. Mein Einwand, dass ich erst drei Stunden zuvor ein riesiges Frühstück verputzt habe, zählt nicht. Na, vielleicht ist es wirklich keine schlechte Idee. Es gibt diese Leute, die, wenn man mit ihnen die Strasse runter läuft, immer langsamer werden, je mehr sie reden. Irgendwann steht man dann. Gede macht dasselbe mit Autofahren, insofern kann es noch eine Weile dauern, bis wir Pemuteran im Nordwesten der Insel erreichen. Wir halten also an einem kleinen Warung, einer Garküche, irgendwo am Berg und Gede erklärt mir, dass ich jetzt erst einmal ein Glas Wasser vor dem Essen trinken muss, weil mein Magen sonst nicht richtig vorbereitet ist. Und weil ich mittlerweile festgestellt habe, dass der arme Kerl sonst keine Ruhe findet, befolge ich brav seinen Rat. Das Essen ist reichlich, köstlich und vor allem spottbillig. Ich gebe ein 100%-Trinkgeld von 1.50 Euro, soviel wie Essen und Trinken für beide von uns gekostet haben. Die Köchin kann es gar nicht fassen und bedankt sich minutenlang bei mir. Gede strahlt und ist begeistert von meiner Großzügigkeit. Ich wiederum wundere mich, wie sich diese einfachen Menschen über eine solche Selbstverständlichkeit freuen können, während andere in den Touristenzentren noch grätzig werden, wenn man ihnen für ihren misslungenen Versuch, einen übelst über den Tisch zu ziehen, nicht auch noch ein saftiges Trinkgeld gibt.

 

Frisch gestärkt beschleunigt Gede auf einmal von seinen durchschnittlichen 40 KmH auf satte 45.

„Like Smaker!“ lacht er.

„Smaker?“

„Yesyes, Meikl Smaker!“

Ahh, Schumacher. Sicher. Weil der mit 45 Klamotten um die Ecke wetzt.

Wir unterhalten uns noch ein bisschen über die verschiedensten deutschen Meikls – Meikl Ballack ist hier zum Beispiel eine ganz grosse Nummer, vielleicht sollte man ihm mal raten, nach Bali auszuwandern –, Fussball und Gott und die Welt. Irgendwann landen wir bei seinem schwulen Bruder, eine Katastrophe für die Familie. Also was macht man als guter Balinese? Man holt den Haus-und-Hof –Schamanen, führt eine Reinigungszeremonie durch und heilt den armen Teufel von seiner schlimmen Krankheit. Inzwischen ist Gedes Bruder Familienvater und alle sind happy. Wirklich alle?

 

Statt der üblichen drei Stunden für die Strecke trudeln wir nach über fünf Stunden doch noch in Pemuteran ein. Das Örtchen ist wie ausgestorben. Normalerweise eines der Tauchzentren der Insel, liegt es in der Nebensaison wie verwaist zwischen Küste, Bergen und Tempeln. Ich suche mir ein nettes Plätzchen am Strand, beziehe mein kleines Hüttchen und warte den nachmittäglichen Regenschauer ab.

01:17 - 24 March 2013 - comments {0} - post comment

-8- Bali: Ubud zum 2.

Leider muss mich Sylvia zwei Tage nach unserem heldenhaften Aufstieg verlassen und meine Reise geht vorerst alleine weiter. Ich will noch ein paar Tage in Ubud bleiben und Reisfelder anschauen, beschließe aber, das Hotel zu wechseln. Die unfreundlichen Leute in unserem alten Hotel nerven mich. Also gehe ich auf Herbergssuche. Die Schwüle ist drückend, die Luft zum schneiden. Der Himmel hängt gelb und schwer über den Häusern und lässt die ohnehin so verwunschene, morbide Atmosphäre fast greifbar erscheinen. Eigentlich wollte ich mir ein kleines Homestay oder Guesthouse suchen, aber an diesem Tag finde ich all die kleinen Häuschen und Zimmerchen erschreckend beklemmend. Aus Jux laufe ich dann etwas außerhalb von Ubud in ein schönes Hotel am Rande der Reisterassen und fange an zu verhandeln. Schließlich bekomme ich für den Preis eines Standardzimmers eine Super Deluxe Suite. Irre. Ich finde, ich sollte mir das ausnahmsweise gönnen und die nächsten zwei Tage geben mir recht – es schüttet in Strömen und ohne Unterlass. Macht überhaupt nix, ich sitze auf einem wunderschönen, großen Balkon mit meinem Heißwasserkocher und Tee, schmökere endlich mal wieder ausgiebig in meinen Büchern und mache das, was ich ja ohnehin noch in Ubud machen wollte, ich schaue Reisfelder an. Das Grün ist unwahrscheinlich, es leuchtet, als wären die Pflanzen mit GFP transfiziert. Selbst im Regenschleier kann man noch zahllose Nuancen ausmachen. Reisfelder anschauen ist ungemein beruhigend.

 

Auch noch gut machbar im Regen ist, sich in eins der organic cafes zu setzen und den Yoga-Jüngern dabei zuzusehen, wie sie – nicht so wirklich entspannt – nach ihren Verrenkungssitzungen durch die Sturzbäche nach Hause springen. Und wie es beim Reisen so ist, trifft man alleine am ehesten andere Leute. Heute treffe ich Michael. Michael ist einer dieser supersanften, hippen lifestyle-Ökos mit samtiger Weltretterstimme aus Kaliforniens Bay Area und Michael sucht in Asien ein neues Heim für sich und seine Frau, in dem sie selbst ihr organic food anbauen können. Bali ist inzwischen in der Wahl ausgeschieden, da hier bereits zu viele Leute derselben Gesinnung  unterwegs sind und man ist schließlich Individualist. Also sucht Michael weiter auf seinem Apple-Rechner und ich überlege für einen Moment, ihn zu fragen, ob er denke, die Foxconn-Mitarbeiter bekämen auch organic food.

 

An meinem letzten Tag in Ubud scheint wieder die Sonne und ich mache mich auf, durch den Affenwald und danach ein wenig durch die Felder zu streifen. Diesmal treffe ich Tino aus Spanien, der, obwohl er gerade zehn Worte Englisch und sonst nur Spanisch spricht, bemerkenswert weit in der Weltgeschichte herumgekommen ist. Amüsanterweise sieht Tino aus wie Javier Bardems jüngerer Bruder. Wieder einmal eine vergnügliche Spur von EatPrayLove. Umso erstaunlicher, dass er in Ubud immer noch alleine mit dem Mountainbike unterwegs ist, man sollte meinen, dass ein Double wie Tino sich vor einem Ansturm der Lebenskrisemädels nimmer retten könnte. Im Moment scheint er allerdings eher zu meinen, mich retten zu müssen, denn auf einem Pfad zwischen den Reisterrassen will mich ein Typ in ein Gespräch verwickeln und zu einer Tour mit seinem Roller einladen. Auch wenn ich solche Diskussion hin und wieder ganz spaßig finde, dieser Typ ist doch etwas zu hartnäckig und Tinos Auftauchen verkürzt die Angelegenheit erheblich.

 

Über einen weiten Bogen laufe ich in die Stadt zurück, komme durch wunderbar ruhige, schöne Ecken und Sträßchen, vorbei an mehreren Hütten, vor denen halbfertige Ogoh-Statuen auf ihre Vollendung und ihren Einsatz am balinesischen Neujahrsfest, dem Nyepi, warten. Die Ogoh Ogohs zeigen die Fratzen der bösen Dämonen, aber auch Figuren aus der Götterwelt Balis, die das Böse besiegen. Nach einer Parade werden die Ogoh Ogohs verbrannt, die Dämonen und das Schlechte der Welt so von der Insel vertrieben. Ein bisserl erinnert mich das an die Verbrennung des Böögg beim Sächselüüte in Züri. Allerdings, am Tag nach Nyepi folgt hier der Tag der Stille. Kein Mensch darf das Haus verlassen, kein Lärm gemacht, kein Licht eingeschaltet werden. Selbst der Flughafen stellt den Betrieb ein. Durch die Licht- und Lautlosigkeit finden die vertriebenen Dämonen und Geister den Weg zurück nach Bali nicht mehr. Wäre vielleicht auch mal für Züri eine Idee.

Leider verpasse ich das Neujahrsfest um ein paar Tage. Schade.

 

In den letzten beiden Tagen sind die Chinesen in Ubud eingefallen. Die Chinesen sind die neuen Japaner, zumindest was das Reisen betrifft. Nicht eine, nicht zwei, nein, sicher 13 Busladungen auf ein Mal ergießen sich über Ubud, fliessen bis in die letzten Gassen und die hintersten Ecken des Tempels. Das kleine Zentrum ist dem Ansturm nicht im Mindesten gewachsen, um vorwärts zu kommen muss man bis in die Straßenmitte ausweichen. Ich finde, dass es definitiv Zeit ist, zu gehen, organisiere mir für den nächsten Morgen einen Fahrer nach Pemuteran und beschließe die Woche in Ubud, natürlich im Sang-Spa.

12:44 - 24 March 2013 - comments {0} - post comment

-7- Bali: Gunung Batur

Der erste Tag in Ubud war der perfekte Sonntag: zwei Stunden frühstücken, Reisfeldwanderung, Massage, köstliches Abendessen. Am zweiten wollten wir dann Shiva besuchen. Der hockt der Legende nach auf dem Vulkan Batur. Ursprünglich brachte Shiva einen indischen Berg in einem Stück nach Bali und teilte ihn dort auf in Gunung Batur und Gunung Agung, wobei er ersteren, obwohl niedrigeren, als Wohnsitz wählte. Außerdem ist der Batur ein recht aktiver Vulkan, der erst in den 60ern noch eine Reihe Dörfer auslöschte. Seit 2010 ist er allerdings wieder auf Warnstufe „normal“ gesetzt – wobei es ja international lebendige Diskussionen darüber gibt, inwieweit an die akute Aktivität eines Vulkanes präzise bestimmen kann.


Blick vom Gipfel über Danur Batur und Gunung Agung

Nun kann man von der Spitze des Berges angeblich hervorragend den Sonnenaufgang betrachten, sofern man um halb drei Uhr morgens von Ubud aus startet und in absoluter Finsternis den Vulkan erklimmt. Dachten wir, das machen wir doch. Nachdem das allerdings nicht meine Uhrzeit ist und dann auch noch unser garstiges Hotelpersonal uns viermal durch die gesamte laaanggezogene und steile Hotelanlage scheuchte, indem sie unseren Fahrer und uns abwechselnd zu den gegenüberliegenden Eingängen schickte, startet der Tag in ziemlich genervtem Zustand. Und dann geht’s bergauf, aber wie. Mit sechs jungen, offenbar fitten Leuten in der Gruppe denken sich unsere beiden Guides wohl, sie könnten einen Zahn zulegen und sprinten den steilen Aufstieg hinauf durch Lavabrocken, Felsen und Vulkanasche wie Berglöwen. Da kannste so fit sein, wie Du willst, wenn Du das nicht jeden Tag machst, keine Chance. Normalerweise braucht man 2 ½ Stunden bis zum obersten Gipfel, wir ziehen uns hechelnd nach einer Stunde 50 über die letzte Kante. Nach fast zwei Stunden Treppen-Rennen auf leeren Magen bin ich kaum noch in der Lage, einen Schritt zu tun, doch die Vorfreude auf die phänomenale Sicht hält am Laufen. Inzwischen hat die Dämmerung eingesetzt und als wir über die Kante kriechen sehen wir: nichts. So klar die Sternennacht gewesen war, mit Tagesbeginn kam der Nebel. Großartig. Dann allerdings, auf einmal, reißen die Wolken immer wieder auf. Die Sonne selbst sehen wir bei ihrem Aufgang zwar nicht, aber doch einige tolle Aussichten auf Gunung Agung und den See Batur.


Gipfelschrein


Und es gibt endlich Frühstück! Allerdings hat der Kapitalismus sogar bei Shiva bereits Einzug gehalten: obwohl Frühstück angeblich mit im Deal war kann, wer mehr als eine Tasse Tee will, gleich mal 2$ pro weitere Tasse berappen. Dabei ist Tee grad eine gute Sache, hier oben zieht’s gewaltig und nassgeschwitzt wie wir sind fährt der Wind bis auf die Knochen. Nach einem mit gebackener Banane beschmiertem Toastlappen als Frühstück geht die Tour weiter um den Krater herum. Der Vulkan liegt einer großen Caldera, die bei einem gigantischen Ausbruch vor zig tausend Jahren entstand. An den Hängen sieht man noch die Überbleibsel der letzten großen Eruption von 1963, außerdem zwei kleinere Krater, die wie Seepocken am Hauptkegel kleben. Streckenweise führt der Pfad direkt über die Abbruchkante, vielleicht 20 cm breit, zu beiden Seiten geht es steil den Hang hinab, quasi auf Messer’s Schneide. Hin und wieder fällt ein Touri mal runter. Allerdings war es wohl nicht die beste Idee von unserem einen Guide, dies an der haarigsten Stelle dem Mädel zu erzählen, welches sich in panischer Höhenangst ohnehin schon fast bewegungsunfähig an den Berg klammert.

Hier kommt noch ein Bild, wird aber grad net geschluckt.

Ich bin tief beeindruckt von dem Hügel.

Schließlich geht es, hin und wieder von einer Affentruppe begleitet, den Pfad wieder hinab und mit jedem Meter steigt mein Respekt vor unseren Haxen, die uns hier im Finsteren, nur mit kleiner Funzel für’s Nötigste, hochgetragen haben. Wir gönnen unseren müden Knochen einen Besuch im Sang-Spa und unseren leeren Mägen einen im Three Monkeys.

12:31 - 15 March 2013 - comments {0} - post comment

-6- Bali: Ubud

Wie es beim Paradies nun leider einmal ist, irgendwann wird man wieder rausgeschmissen. Da die Bootsfahrt lange und etwas unsicher ist und die Flieger vormittags starten, müssen wir bedauerlicherweise bereits einen Tag vorher nach Sorong zurück. Und damit wir ja nicht auf unserer Milch-und-Honig-Wolke hängen bleiben, verbringen wir die Nacht in der KP-Zentrale. James is not amused. Was mich betrifft, solange es ein kühles Bintang gibt, kann ich auch mal amüsiert einen Abend in Funktionärs-Ambiente verbringen.

In Makassar dann löst sich unsere kleine Reisegesellschaft auf, James und Yvon schlenkern über Jakarta zurück Richtung Matterhorn und Nick und Shanon entschweben nach sunny California. Vorher, allerdings, mache ich noch den besten Deal: meine Tauchfotos gehen für einen Nobel-Coiffeur-Besuch im Bad Ragaz Ressort einerseits und einen Helikopterflug über LA andererseits über den Tisch. Vielleicht sollte ich ja doch umsatteln.

 

Und Sylvie und ich? Wir falten uns wieder zusammen und quetschen uns in die Maschine nach Denpasar. Vom Flughafen fahren wir dann direkt nach Ubud, dem kulturellen und künstlerischen Zentrum Balis – außerdem ein Touri-Kaff sondergleichen. Hauptsächlich new-hippies-stylishyoga-organicfood-suchemichselbst-Typen, dazu noch verzweifelte Mittdreißiger-Frauen, die eine tatsächliche (oder vermeintliche) Lebenskrise durchmachen und auf den Spuren von EatPrayLove hierher kommen, mit einem Anspruch nicht geringer, als dass ihr Dasein wieder in Ordnung kommt und sie hier den Lover ihres Lebens finden. Na, wenn ich da nicht perfekt reinpasse! Der Wahn begann mit dem Bestseller 2006, die Verfilmung mit Julia Roberts 2010 tat ihr übriges. Und dann die Neu-Hippies. Früher standen wenigstens eine wahre Sinnsuche und die Verbesserung der Welt mit im Fokus, jetzt ist es nur noch die Verbesserung des Planeten Ego. Wir sitzen stundenlang in organic cafes, schlürfen unseren Detox-Karotte-Ingwer-Orange-Trunk (zugegebenermaßen sehr lecker) und betrachten amüsiert das Heer an Pseudo-Individualisten.


 

Doch Ubud hat tatsächlich eine gewisse Anziehungskraft. Da sind zum einen die traumhaft schönen Reisterrassen, die man stundenlang durchwandern und immer wieder neu entdecken kann. Und die uns gleich mal mit einem tropischen Schauer erster Güte bedenken, so dass meine Stofftasche in einem leuchtend-blauen Farbstrom meinem hellen Rock ein neues Design verpasst. 


Dann ist da diese eigenartige, verwunschene Atmosphäre, die drückende Schwüle, die über den alten Mauern, den bemoosten Steinstatuen, den unzähligen Schreinen und  Opfergaben liegt. Fünfmal am Tag bringen die Balinesen Opfergaben dar, in kleinen, aus Gräsern und Schilfen geflochtenen Körbchen liegen Blumen und Räucherstäbchen, manchmal auch Geld, Bonbons oder Seife, was man eben als Gottheit so braucht. Die Gaben liegen an Schreinen, an Türen, an Kreuzungen, bisweilen auch an Stellen, die für uns Ignoranten nicht als besonders zu erkennen sind. Doch so aufwendig das Ritual auch ist, kurz darauf sind die kleinen Geschenke wertlos. Während wir uns größte Mühe geben, nicht aus Versehen in eines der Schälchen zu treten (an manchen Stellen ist das gar nicht so einfach), laufen die Balinesen achtlos drüber oder kehren die Gaben mit einem Wisch in die Ecke, wo sich dann die unzähligen Straßenköter über das Fressbare hermachen. Seltsam.



Und dann sind da noch unsere beiden Refugien: das Restaurant Three Monkeys, mit Speisen zum Niederknien, und: Sang-Spa, sauber, liebevoll eingerichtet, man entspannt sich beim ersten Schritt über die Türschwelle. Eine einstündige traditionelle Massage kostet grad mal 12 Euro, dafür entrückt sie einen in eine andere Dimension – vor allem meine Wirbelknochen.

 


09:30 - 14 March 2013 - comments {0} - post comment

-5- Tauchen! Zum 2.

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Ein absoluter Höhepunkt ist der Tauchgang an einer Putzstation für Mantarochen. An einem Felsen auf einer Sandbank wartet ein ganzer Schwarm Putzerfische, meist Lippfische und Barbier-Falterfische, auf den Besuch der Rochen, kriechen ihnen dann hinter die Kiemen, ins Mauls, über die Haut und verputzen nervige Parasiten. Daher Putzerfische. Die Mantas sind gigantisch. 5-7 Meter Spannweite, 1000-1300 Kilogramm schwer und doch im Wasser so leicht, so elegant. Bis zu sieben dieser Riesen tummeln sich gleichzeitig um den Felsen, drehen ihre Volten, kreisen spielerisch umeinander.



Hier sehe ich zum ersten Mal Mantas, die eine komplett schwarze Unterseite haben, sieht ziemlich witzig aus. Normalerweise sind sie weiss mit einer Tier-spezifischen Zeichnung. Muss wohl eine lokale Mutanten-Population oder ein Polymorphismus sein. Eine ganze Stunde knien wir gebannt im Sand und können es nicht glauben.



Yvon, der als Nichttaucher auf die Insel kam und spontan beschloss, dass diese Situation untragbar ist und dringend geändert werden muss, ist nach diesem Tauchgang endgültig für alle anderen Tauchgebiete der Welt verdorben. Um ihn wieder auf den Boden zu bringen schlage ich ihm vor, zurück in der Heimat doch mal zusammen in den Zürisee zu springen, da sieht man dann mit etwas Glück bis zu sieben Fahrräder auf einem Haufen.

 

Egal, wann und wo wir ins Wasser springen, es ist phantastisch. Monge hat sich bald daran gewöhnt, dass Sylvie und ich ewig an einer Riffstelle rumlümmeln können und lässt sich Zeit. Typisches Bild unserer Gruppe: Monge sucht irgendwo nach Schnecken, Sylvie hängt seitwärts im Wasser, um das volle Riffpanorama zu genießen, und ich kopfüber an einem Korallenblock, um ohne irgendwas kaputtzumachen in Ruhe fotografieren zu können.



Das einzig Ungemütliche ist die Präsenz von geringelten Seeschlangen. Ich mag keine Seeschlangen. Lieber mit Tigerhai schwimmen, als mit geringelter Seeschlange. Dabei hatte ich – im Gegensatz zum Tigerhai – noch nie eine wirklich haarige Situation mit Seeschlangen. Auch hier schaut mir eine beim Heraustauchen aus einer Höhle zwar kurz in die Augen, ringelt sich dann aber sofort von dannen, noch kurz an der nichts ahnenden Sylvie vorbei. Allerdings finde ich es nicht sinnvoll, sie mit einer Warnung in Panik zu versetzen, und mache stattdessen lieber ein Foto von ihr mit Schlange.



 

Die Papua sind ein vergnügtes Völkchen. Sobald sie nichts zu tun haben – und das ist recht oft der Fall, schließlich leben sie in einem Füllhorn – ziehen sie ihre Ukulele aus der Hosentasche und schrammeln vor sich hin. Zwar gibt’s nur drei Harmonien und auch der Gesang klingt für unsere Ohren nach Endlosschleife, aber sie haben ihren Spaß dabei. Bisweilen grenzt die Situation an surrealen Kitsch: Nach einem fabelhaften Tauchgang ploppst Du seligen Lächelns wieder an die Oberfläche der Südsee, Dein Blick fällt auf die Schaluppe, auf der die Bootsleute ihre Klampfen aus dem Nichts hervorgezaubert haben und selbstvergessen vor sich hin jodeln. Im Hintergrund wedeln drei Palmen auf einem weißen Fleckchen Sand.

Dieses leichte Leben ist allerdings ein ziemliches Problem für Ausländer, die versuchen, die Papua in ihre Ressorts mit einzubeziehen und dort zu beschäftigen. Meeting um Punkt 8 Uhr? Vergiss es. Überhaupt, warum arbeiten, wenn mir alles in den Mund wächst? Das funktioniert erst, wenn die Leute technisches Spielzeug haben wollen, Handys zum Beispiel. Allerdings ist das Handynetz in Raja Ampat äußerst lückenhaft, um nicht zu sagen nicht-existent. Bis auf ein kleines Inselchen, da gibt es den Handybaum – und die einzige Pause, in der die Crew nicht vor sich hin trällert, sondern geschlossen im Baum sitzt.


07:54 - 14 March 2013 - comments {0} - post comment

-4- Tauchen! Zum 1.

Allein am Hausriff könnte man sich tagelang rumtreiben und ständig Neues finden. Aber es gibt ja noch so viele Ecken zu entdecken! Also geht’s meist mit dem Boot raus, zwei Tauchgänge vormittags, dazwischen Pause auf einem Inselchen mit Kaffee und frischer Kokosnuss, Ananas und was eben gerade von Bäumen, Büschen und Palmen gefallen ist. Nach dem Mittagessen auf Pulau Pef dann zum dritten Tauchgang wieder raus.

 

Pauseninselchen


Beim ersten Tauchgang am Hausriff denke ich noch, ich habe eine Rarität entdeckt – Oh, oh, Teppichhai! Teppichhai! – bis ich feststelle, dass man den Viechern an jeder zweiten Ecke auf die Fusseln tritt. Und was macht ein anständiger Teppichhai? Richtig, er liegt rum. Da er seiner Lieblingsbeschäftigung vorzugsweise unter Felsvorsprüngen und in Höhlen nachgeht, ist es etwas schwierig, ihn trotz seiner grad mal etwa anderthalb Metern Länge auf ein Bild zu bekommen. Einmal schaffe ich es, ein Exemplar vom vorderen Höhleneingang und vom hinteren auf den Film zu bekommen, jetzt kann man ihn zusammensetzen. Build you own Teppichhai, also.

Fotografieren ist hier ohnehin eine ziemliche Herausforderung. Die Meeresströmungen ziehen bisweilen ganz schön um die Ecke. Oft hilft nur eins, sich eine Kuhle in einem Felsen suchen, hoffen, dass nix biestig Beißend oder Brennendes drin hockt und: iihöckle. Da hängt man dann an einem, zwei Fingern, lässt sich die Brise um die Ohren wehen und ist nach 60 Minuten fix und fertig. Ganz zu schweigen von den armen Fingern. Dafür ist es wie Kino. Einmal beobachten wir sicher zehn Minuten lang, wie ein großer Grauer Riffhai immer wieder das Riff anschwimmt.

Doch trotz all der Teppich-, und Riffhaie, die wir sehen – gemessen an dem Fischreichtum gibt es in dieser Gegend viel zu wenige von diesen Raubfischen. Haifischflossensuppe steht leider immer noch auf zu vielen Menüs. Es ist eine unfassbare Tragödie, dass dieses phänomenal nützliche und elegante Tier, dieses Erfolgsmodell der Evolution, von so einem phänomenal dummen Tier ausgerottet wird.

 

Federstern


Neben den rasanten Riffreisen gibt es aber auch noch einige sehr entspannte Aquariumstauchgänge, Tauchgänge, auf denen man sich in aller Ruhe das reiche Makroleben anschauen kann:


Putzerglasgarnelen


bunte, blasige Schwämme bestaunen, kleine, gläserne Putzergarnelen beobachten und vor allem: Schnecken finden kann. Monge, unser Guide, hat zu Beginn aus irgendeinem Grund abgespeichert, dass ich die farbigen Schleimtiere zum Fotografieren super finde und sucht die Kriechviecher nun mit einer Hingabe sondergleichen. Als Folge kann ich nun wohl ein fast vollständiges Schneckenkompendium herausgeben.

Schneck

09:45 - 13 March 2013 - comments {0} - post comment

-3- Raja4Divers

Es ist so schön, dass es fast nicht Wirklichkeit sein kann. Das Resort ist erst in den letzten paar Jahren entstanden und mit einer solchen Liebe zum Detail gestaltet, dass ich jeden Tag Neues entdecke. Unser Bungalow aus Holz und Bambus lässt sich zur Meerseite hin fast vollständig öffnen, nach hinten geht das Badezimmer, nur halb überdacht. Die Dusche, ein riesiger Steinkrug, aus dem man das Wasser schöpft, und ein kleiner Garten mit Orchideen und anderen Epiphyten ist oben offen. Die Hängematte auf der Veranda ist das i-Tüpfelchen.



Nur sechs Bungalows reihen sich an den kleinen Strand und in einem Holzrestaurant auf Stelzen verbringt Tubi mit seinem Küchenteam kleine Wunder. Keine Speisekarte, dafür morgens und mittags ein kleines Buffet und abends ein 3-Gänge-Menü, möglichst mit lokalen Spezialitäten bereichert. Vor dem Restaurant steht ein Fischgrill, ein Pizzaofen, ein paar Meter weiter ein riesiges Schachspiel und schließlich der Bootssteg – der „Steg ins Glück“
. Sylvie und ich planen schon eine mehrteilige Schmonzette, wird sicher ein Renner.

In die andere Richtung führt ebenfalls ein Holzsteg durch Mangroven und lichten Wald bis hin zu einer ruhigen Lagune. Hinter dem Holzofen geht es noch zur Platform, 10 Minuten steil bergauf, ein paar Seile, ein paar Schlangen, ein paar Leitern und man hat die phantastischste Aussicht inklusive Manati, das sich gerade durch die Seegraswiese vor unserem Bungalow frisst. Und weil ich nun mal bin, wer ich bin, schmeiße ich am letzten Tag von eben jener Platformbrüstung meine heißgeliebte kleine Kamera. Nur auf den Holzboden der Platform, aber es reicht, um die Linse zu verbiegen. Mist. Das war’s dann wohl mit der Unterwasserfotografie für den Rest der Reise – immerhin war’s nach dem letzten Tauchgang in Raja Ampat.


Ansonsten gibt es nichts auf unserem Inselchen, keine anderen Leute, nichts was laut ist oder stört oder Dich an die Welt da draußen erinnert. Nur die Wellen, die an die Stelzen des Bungalows schlagen, die Vogelrufe, der Frieden.

08:28 - 13 March 2013 - comments {0} - post comment

-2- Papua - Raja Ampat

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Raja Ampat – das Paradies! Der Garten Eden, der über und unter Wasser so unglaublich fruchtbar ist, dass die grüne Hölle auf den Inseln überquillt und die Korallen in mehreren Schichten zu wachsen scheinen. Ein Füllhorn, in dem man das Netz nur kurz eintauchen muss, um silbrig zappelnde Fische für die ganze Woche herauszuziehen, in dem man nur etwas in den Busch schmeissen muss und ein halbes Jahr später ernten kann. Über allem strahlt die Sonne von einem fast bayrischen Himmel, im Wechsel mit tropischen Regengüssen von einer Intensität, dass man nicht mehr weiss, ob das Wasser jetzt von oben oder von unten kommt.


Es ist das Reich der vier Rajas, der vier Könige, die der Sage nach aus sieben Eiern schlüpften und sich auf den vier grossen Inseln – Waigeo, Batanta, Salawati und Misool – niederliessen. Aus den übrigen drei Eiern schlüpften ein Geist, eine Frau und ein Stein. Interessante Mischung, aber wo die hin sind, man weiss es nicht. Es ist auch das Reich der Meeresströmungen, gleich drei massive Ströme treffen sich in diesem Eckchen von Papua (vielleicht sind Geist, Frau und Stein ja hier abgeblieben?): aus dem Indischen Ozean, dem Pazifik und von der Nordostküste Australiens bringen alle ihr Viehzeug mit und sorgen für eine Diversität, die ihresgleichen sucht. Sobald man von der Veranda des Holz- und Bambus-Bungalows ins Wasser fällt, eröffnet sich eine Welt, die man sich wohl nicht mit den irrsten Pilzen erträumen könnte. Korallen, Schwämme in sämtlichen Formen und Farben, Pygmäenseepferdchen scheinen aus den Gorgonien förmlich zu spriessen und der Einsatz von Teppichhaien ist inflationär.


Pygmäenseepferdchen

Schwarzspitzenriffhaie schnorcheln direkt vor der Veranda. Nur etwa 20 cm bis 1m grosse Bonsaihaie, habe ich so noch nie gesehen! Aber effizient, sobald sie sich in einen der riesigen Fischschwärme schlängeln, bildet sich sofort ein Hof um die Räuber, von oben betrachtet erinnert das stark an einen Antibiotika-Test auf einem Bakterienrasen. Sehr verlockend, so einen einzupacken und mitzunehmen, quasi Haushai. Passt aber wohl nimmer in meine Taschen. Obwohl, wenn man ihn ein bisschen faltet...?

Teppichhai

 

Sylvie und ich sind glückselig. Nach zwei ausgesprochen faulen Tagen in unserem balinesischen Strandhotel war die Reise in diesen abgelegenen Winkel doch bisserl mühsam. Am Abend ging es zuerst nach Makassar, der Hauptstadt Sulawesis, die wahlweise auch Ujung Pandang heisst. Muss man wissen, sonst fragt man sich wie unsereins, warum auf dem Ticket Makassar steht, der Flieger aber nach Ujung Pandang geht. Nachts um halb elf kommen wir an, werden eine Stunde durch die verschlafene Stadt ins Hotel gekarrt, nur um dort drei Stunden später wieder eingesammelt und zurück zum Flughafen gebracht zu werden. Innerhalb des Flughafens, der ansonsten erstaunlich modern ist, zeigt Uhrzeit eine gewisse Redundanz. In meinem Blickfeld finden sich vier Uhren, die allesamt sehr unterschiedliche Zeiten zeigen. Auch die Flüge werden nicht zwangsläufig an den Bildschirmen der Gates gelistet, man muss einfach glauben, was auf dem Zettel in der Hand steht. Auf dem weiteren Flug nach Sorong dämmert mir, dass hier streng nach Männlein-Weiblein gesetzt wird. Auf dem Rückflug wird sich das bestätigen, als ich tatsächlich mal neben einem Mann sitze, der dann aber prompt durch ein Mädel ausgetauscht wird. Aha.

Sorong, die Hauptstadt Papuas, ist ein Höllenloch, der Flughafen eine Baracke, deren Landepiste schnurstracks durch eine kleine Siedlung führt und deren passendste Beschreibung wohl „cangaroo race track“ ist. Am „Gepäckband“ sammelt uns Tubi ein, der Koch von Raja4Divers, der uns die nächste Woche mit dem vorzüglichsten Essen verzaubern wird. Erst einmal führt er uns allerdings durch das Verkehrschaos der staubig-steinigen Kreuzung vor der Baracke zu einem Kasten, der wohl ein Hotel darstellen soll, uns jedoch stark den Eindruck einer KP-Zentrale im roten Osten macht. Amüsiert, wenn auch ziemlich fertig, machen wir es uns in der „Lobby“ bequem und warten. Mit von der Partie sind James und Yvon aus der Schweiz und Nick und Shanon aus den Staaten. James ist Chef-Coiffeur in Bad Ragaz und Yvon quasi mein Nachbar in Zürich, mit beiden werden wir viel Spass haben. Nick heisst hin und wieder auch mal Klaus, ist früh aus Deutschland ausgewandert und hat mit Sicherheitsschlössern ein Vermögen gemacht, Shanon schmeisst den Laden im Hintergrund. Insgesamt eine sehr witzige, unterhaltsame Truppe. Weiter geht’s schliesslich mit einem Mini-Minibus, in dem sich die Fenster etwa auf Höhe meines Bauchnabels befinden, in kann Euch jetzt also einiges über die Strassen von Sorong erzählen, lass es aber mal lieber bleiben. Am Hafen wartet dann unser Boot, ein lang gestreckter Kahn mit niedrigem Holzaufbau, der mit Matratzen ausgelegt ist. Auf jeder Matratze liegen fein säuberlich ein Handtuch und eine grosse Wasserflasche mit unserem Namen drauf. Das Ding sieht zwar etwas nach Seelenverkäufer aus und die halb abgesoffenen, vergammelnden Kähne in der Nachbarschaft steigern nicht unbedingt das Sicherheitsgefühl, aber die dreistündige Fahrt durch die Inselwelt Raja Ampats ist ein Erlebnis und der Empfang am Bootssteg von Pulau Pef mit Musik, Tanz und grüner Kokosnuss frisch von der Palme ist phänomenal. Hier sind wir also, im wirklich allerletzten Winkel, Pulau Pef westlich von Waigeo. Wundervoll.


04:42 - 12 March 2013 - comments {2} - post comment

-1- Pack ma's

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Eiskalter Regen, schwerer, grauer Himmel und fieser Wind der bis auf die Knochen geht – kein besserer Zeitpunkt, sich zu verabschieden, als genau jetzt. Ich sitze am Wipkinger Bahnhof und da ich selbstverständlich meine Flughafen-S-Bahn verpasst habe, habe ich nun genug Zeit, meinen Gepäckberg zu begutachten und mir zu überlegen, wie ich das alles die nächsten 11 ½ Wochen durch Asien ziehen werde. 2/3 allein sind Tauchzeug und Technik, ein weiteres Sechstel Bücher. Habe ich eigentlich Klamotten dabei? Egal, gibt’s auch da unten. Ein grosser Reiserucksack, ein unwesentlich kleinerer mit Kamera- und Elektronikkrempel und mein Handgepäck-Trolley. Irgendwie habe ich es geschafft, mein gesamtes Tauchgepäck so zu komprimieren, dass es samt und sonders in besagten Trolley passt. Leider hat dieser durch die Verdichtung das spezifische Gewicht von Blei angenommen. Im weiteren Verlauf der Reise wird das zu ein paar amüsanten Gesichtsausdrücken führen, wenn irgendjemand versucht, das Köfferchen leichthändig hochzuheben.

Erfreulicherweise erlässt mir Thai Airways eine monströse Gebühr für Übergepäck, obwohl sie mir im Vorfeld nicht einmal Tauchgepäck bewilligen wollten. In einem der seltenen Sonnenstrahlen in der Abflughalle setzt zum ersten Mal seit langem ein Gefühl der Entspannung ein und bald darauf finde ich mich in einem bonbonbunten Flieger wieder. Könnte nicht besser sein.

Nach wunderbar ruhigen, kulinarisch erstaunlich erfreulichen 11 Stunden lande ich um fünf Uhr morgens in einem anderen Universum: der Bangkoker Flughafen ist eine blendende Luxuswelt, in der ich einen geschlagenen Kilometer an einer Nobel-Boutique nach der anderen entlang zu meinem nächsten Gate laufe. Erschlagen von Glanz und Glamour suche ich mir ein ruhiges Eckchen. Nicht lange und ein junger Chinese setzt sich zwei Sessel weiter und fragt mich bald in äusserst rudimentärem Englisch nach der korrekten Schreibweise eines englischen Wortes. Also kommen wir ins Gespräch. Als ich meine Nationalität rausrücke, strahlt er mich an:

„Ooh, home of Shiteler!“

Bitte, wer?

„Shiteler!“ Schaut mich verständnislos an. Den muss man doch kennen!

„I love Shiteler!“

Ich grübele und komme zu keinem Ergebnis. Schliesslich tippt er den Namen in seinen Rechner und wen haben wir da? Hitler.

Moment, was?

„Hitler? You love Hitler??“

„Yesyes! Great man. Much success!“

„No! Not great man! Awful man!“ Ich versuche eine Weile, ihm zu erklären, was Sache ist, aber da ist nix zu machen, er bleibt bei seiner Bewunderung. Ich habe schon mal gelesen, dass es in Asien durchaus einige Regionen gibt, die ein etwas verzerrtes Bild unserer Geschichte haben und das Dritte Reich noch glorifizieren. Aber dem tatsächlich zu begegnen ist noch mal was Anderes. Ich beschliesse, dass ich diese Diskussion morgens um sechs im Transit nicht brauche, gebe ihm den Tipp, sich doch noch mal etwas genauer mit der Geschichte zu beschäftigen, pack meinen Krempel und verziehe mich.

Shiteler. Love that word play.

 

Weitere acht Stunden später sitze ich im Taxi vom Flughafen Denpasar, Bali, zu dem Hotel in Sanur, wo ich mich mit meiner Cousine Sylvia treffe. Am Rückspiegel baumelt ein Amulett mit Swastika in der Mitte. Erst traue ich meinen Augen nicht, dann aber, als vor dem Fenster ein Swastika-Guesthouse nach dem anderen vorbeizieht, erinnere ich mich, dass es ja ein zentrales Symbol im Hinduismus ist und Bali schliesslich zu 95% hinduistischen Glaubens. Ich brauche eine Weile, bis ich mich dazu entschliesse, dass ich die permanente Konfrontation mit diesem Symbol nicht höchst irritierend finde, sondern eher erfreulich, dass es eben doch noch Regionen auf der Welt gibt, in denen sich nicht alles um die deutsche Geschichte dreht. Ausserdem ist der erste Deutsche, der meinem Fahrer einfällt, nicht Shiteler, sondern „Mikael Black“.


02:45 - 12 March 2013 - comments {0} - post comment

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